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Saturday, September 12, 2020

Traditionsgeschäft: Stabwechsel bei Fisch- und Feinkost Dünewald in Altenburg - Leipziger Volkszeitung

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Geschäftsaufgaben oder -übergaben aus Altersgründen – das passiert tausendfach alljährlich in

Deutschland und demzufolge auch mehrfach im Altenburger Land. Viel Aufhebens wird in der Regel nicht darum gemacht. So ist halt der Lauf der Zeit. Wenn es allerdings um Gabriele und Karl-Friedrich Dünewald geht, die ihr Fisch- und Feinkostgeschäft am Altenburger Weibermarkt in jüngere Hände geben, dann ist das nicht nur der Rede, sondern eine Geschichte wert. Eine Erfolgsgeschichte.

Fisch und Dünewald, das gehört seit fast einem Jahrhundert zusammen. Schon Großvater Albert führte seit den 1930er-Jahren in der Nähe des Güterbahnhofs einen Fischhandel, den sein Sohn Karl-Heinz später übernahm. Das Privatunternehmen wurde in der

DDR 1972 verstaatlicht und mündete in den VEB Fischverarbeitung Altenburg. Derart familiär vorbelastet studierte auch der Enkel des Firmengründers Fischverarbeitung. 1983 übernahm Karl-Friedrich, als der Vater Invalidenrentner wurde, den Betrieb. Schon wenige Jahre später aber stellten sich mit der Wende die Weichen neu.

„Wir entschieden uns fürs Bleiben und die Selbstständigkeit“

Allerdings drohten ihm und seiner Frau

Gabriele – kennengelernt hatten sich beide während des Studiums in Rostock – nicht etwa die Arbeitslosigkeit, sondern es gab überaus lukrative Job-Angebote unter anderem aus Kiel und Lübeck. „Doch wir waren in Altenburg verwurzelt, hatten hier unser Häuschen, unsere Freunde, die Kinder gingen hier zur Schule. Wir entschieden uns fürs Bleiben und die Selbstständigkeit“, erinnert sich der heute 66-Jährige. Im Mai 1992 eröffneten Dünewalds ihr Geschäft an der Kanalstraße. „Die Resonanz war einfach toll. Wir sind rechtzeitig in eine Marktlücke gesprungen, bevor sich womöglich die Großen der Branche hier ansiedelten.“

Doch beim bloßen Verkauf blieb es nicht. Weil sich

Gabriele noch vor der Geschäftsgründung aktiv im Bundesfachverband engagierte, erhielt sie schon 1991 eine Einladung zu den Matjestagen nach Bremen. Hier ward die Idee vom eigenen Matjesfest in Altenburg geboren. Auf das erste 1993 sollten zig weitere folgen. Die Versteigerung des alljährlich aus Bremen mitgebrachten Matjesfässchens für einen guten Zweck wurde zum Zuschauerspektakel. Erst mit dem nachlassenden öffentlichen Interesse verschwand eines der beliebtesten Events wieder aus dem Veranstaltungskalender der Skatstadt. „Alles hat seine Zeit“, sagt Gabriele Dünewald, die sogar in die Matjes-Gilde, gegründet 1995 durch die Heringsfischer und -produzenten Hollands, aufgenommen wurde. „Eine ganz große Ehre“, ist der Ehemann noch heute stolz. Es sollten noch viele weitere Ehrungen und Anerkennungen folgen.

Viele Jahre war die Versteigerung des aus Bremen mitgebrachten Matjesfässchens der Zuschauermagnet beim Altenburger Matjesfest. Quelle: Mario Jahn

Angesichts der nicht ganz so erfreulichen Entwicklung der Kanalstraße als Einkaufsstraße zog es Dünewalds 1999 in die Innenstadt. Und der neue Laden am

Weibermarkt entwickelte sich zu einer echten In-Adresse. Ausschlaggebend dafür war zum einen das Angebot, das im weiten Umkreis seinesgleichen suchte. Insgesamt 40 Salate, zum größten Teil selbst zubereitet, die Frischfisch-Theke mit rund 20 Produkten von auserlesener Qualität, Austern und für alles die passenden Weine gehörten zum Portfolio. Hinzu kam das Mittagstisch-Angebot.

Die vor den Augen des Gastes zubereiteten Köstlichkeiten zogen die Prominenz in Scharen an und wurden mit dem Begriff Imbiss eigentlich völlig unter Wert gehandelt. Schauspieler und Kabarettist

Wolfgang Stumph, der von seinem vierstündigen Aufenthalt in Altenburg drei Stunden bei Dünewalds verbrachte, ließ sich ebenso verwöhnen wie die deutschlandweit bekannten Mimen Michael Mende, Jürgen Tarrach oder Torsten Münchow. Auch der damalige Erste Bürgermeister Hamburgs, Ole von Beust, speiste und plauderte hier und nahm sogar ein Rezept mit in seine Heimat.

Wer hat, der hat. Dieses Prachtexemplar eines Lachses gab es bei Dünewalds zu Silvester 2014 – natürlich portionsweise für die Kunden. Quelle: Mario Jahn

„Zum Glück haben wir ihn gleich erkannt und konnten ihn mit Namen ansprechen. Das kommt ja immer gut an“, schmunzelt der Geschäftsinhaber. Ein anderer hingegen weilte 2007 mit Ehefrau und einem befreundeten Paar inkognito am

Weibermarkt. Erst am nächsten Tag ließ der Altenburger Verleger Klaus-Jürgen Kamprad, der die vier begleitet hatte, die Katze aus dem Sack. Einer der Gäste war der öffentlich weit weniger bekannte Ikea-Gründer Ingvar Kamprad. Der milliardenschwere schwedische Unternehmer wandelte auf familiären Spuren in Thüringen und besuchte seinen entfernten Cousin in der Skatstadt.

Sehr geehrt fühlten sich Dünewalds nicht minder durch die Tatsache, es 2010 und 2017 in den „Feinschmecker“ geschafft zu haben. Die monatlich in

Hamburg erscheinende Zeitschrift, die sich mit feiner Küche, Wein und anderen Fragen des gehobenen Genusses beschäftigt, würdigte unter anderem die Gillardeau-Austern, die zu den besten in Frankreich zählen und hierzulande, zumal in der Provinz, kaum angeboten werden. Von den Kunden bestaunt wurden über die Jahre zudem Prachtexemplare von Seeteufeln, ein 1,50-Meter-Haifisch oder ein riesiger Thunfisch. Noch wichtiger aber schien vielen „Wiederholungstätern“ die gesellige Atmosphäre. Nicht von ungefähr mutierte das Geschäft zu den Altenburger Frühlingsnächten viele Jahre zum „Absacker“. Da ging es manchmal bis 3 Uhr morgens, und um 8 Uhr musste alles wieder picobello sein.

Im Dünewaldschen Geschäft wurde die (Frühlings-)Nacht in schöner Regelmäßigkeit zum Tag gemacht. Mitunter ging die Sause bis 3 Uhr in der Früh. Quelle: Mario Jahn

Das schlaucht verständlicherweise mit zunehmenden Lebensalter, zumal sich vor allem

Karl-Friedrich gesellschaftlich sehr für seine Heimatstadt engagierte. So saß er beispielsweise von 1994 bis 2007 für die CDU im Stadtrat, lange als Fraktionsvorsitzender. Doch nicht nur der zeitliche Aufwand und der wiederholte Protest der Ehefrau, die ihren Mann eigentlich nur noch im Geschäft zu Gesicht bekam, veranlassten ihn zum Aufhören. Brachte doch die politische Tätigkeit bei der Kundschaft nicht nur positive Reaktionen hervor. „Wenn einem an den Kopf geworfen wird, du blöder Hund, mich siehst du hier nicht wieder, dann kommt man schon ins Grübeln.“ Ganz ohne Aktivitäten kann der gebürtige Altenburger aber trotzdem nicht sein. So dürfen die Rotarier und der Schlossverein noch immer auf ihn zählen.

Ab jetzt vielleicht sogar mehr denn je. Dünewalds fanden nach jahrelangem Suchen – Sohn und Tochter haben beruflich andere Wege eingeschlagen – endlich eine Nachfolgerin. Und das, beinahe schon typisch, mit keiner geringeren Unterstützung als der des

ZDF. Die beiden Mainzer Journalisten, die im Oktober 2019 vier Wochen in Altenburg arbeiteten und oft am Weibermarkt speisten, drehten zum Schluss einen Beitrag über das Fisch- und Feinkostgeschäft und die Zukunftssorgen seiner Eigentümer.

Chemie stimmte sofort

Die Eltern von

Katja Fabig sahen ihn und machten ihre Tochter darauf aufmerksam. Mit der Handelsfrau, die jahrelang bei Globus im Sushi- und Feinkostsektor Erfahrungen sammelte, seit drei Jahren in Wintersdorf lebt und nach einer neuen Herausforderung suchte, stimmte die Chemie sofort. Nach mehrmonatiger Einarbeitung ist die 45-Jährige seit 1. September neue Inhaberin von „Fisch und Feinkost Dünewald“. Katja Fabig behält nicht nur den Firmennamen, sondern will nahtlos an die Traditionen anknüpfen, aber natürlich auch Neues bieten. Sushi gehört schon seit April dazu, nun sollen noch Käse, Feinkost aus dem Nicht-Fisch-Segment und ein Catering-Service folgen.

Für

Gabriele und Karl-Friedrich Dünewald gehörte das Geschäft fast 30 Jahre zur Familie, hat das Leben bestimmt. Da fällt Loslassen gar nicht so leicht. Trotzdem wollen beide jetzt das Pensionärs-Dasein genießen, für die Kinder und die Enkelin da sein – und ab und an doch noch im Laden stehen.

Von

Ellen Paul


September 13, 2020 at 01:04PM
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